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Perturbation - Krise - Reframing

Lernen wird als Zustandsveränderung eines Systems verstanden. Die drei Begriffe Perturbation, Krise und Reframing beschreiben diese Zustandsveränderung.

Perturbationen

Unter Perturbation ist eine Art Störung, eine Art Irritation zu verstehen. Mit Perturbationen meint man Einwirkungen der Umwelt, die ein Nachdenken über die aktuelle Situation auslösen.

Mit Perturbationen wird ein vorher dagewesenes Gleichgewicht gestört. Perturbationen werden subjektiv wahrgenommen.

Die Umwelt konditioniert den Menschen nicht, sie löst aber selbstgesteuerte Lernprozesse aus. Wir selber entscheiden, welche Milieuveränderungen wir als Perturbation wahrnehmen und wie wir uns damit auseinandersetzen (Arnold, Siebert, 1997).

Krise

Perturbationen können eine Krise auslösen. Eine solche Krise soll als Chance betrachtet werden, neue Entwicklungen einzuleiten.

Krisen werden als lernintensive Fasen bezeichnet. Der Psychoanalytiker E. Erikson entwickelte eine Identitätstheorie, die ein Stufenmodell beinhaltet, in dem jeder Übergang von einer Stufe zur nächsten eine Krise voraussetzt. – Solchen Modellen stehe ich jedoch sehr skeptisch gegenüber.

Reframing

Wenn eine Perturbation eine Krise ausgelöst hat, geht es darum, mit dieser sinnvoll umzugehen. Diese Fase der Rekonstruktion, der Umdeutung wird Reframing genannt.

Reframing bedeutet also, dass neue "Wirklichkeiten" konstruiert werden. Werthaltungen, Einstellungen, Interpretationen werden neu definiert.

Nicht immer geschieht Reframing nach einer Krise

Beschriebene Lernprozesse sind häufig anstrengend. Sie bedeuten, dass eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben, den eigenen Werthaltungen und Einstellungen gefordert wären.

Oft geschieht es, dass verschiedene Vermeidungstaktiken aufgebaut werden. In der Psychologie kennt man einige solche "Bilder": Rationalisierungen, Vermeidungsreaktionen, Abwehrmechanismen.


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Altes und Neues

Die Auseinandersetzung mit Krisen braucht Energie und wird gerne verdrängt. In der Erwachsenenbildung, wie wohl in der Bildung überhaupt, dürfen Deutungen, Bedeutungen, Werthaltungen und Ansichten nicht einfach auf die Teilnehmenden übertragen werden.

Es geht wohl darum, immer wieder zu versuchen Krisen auszulösen. Das Eingehen auf den Lernprozess ist jedoch in der Verantwortung der Lernenden.

Wenn es möglich wird, viele Situationen zu schaffen in denen Neues ausprobiert werden kann - wenn es aber auch möglich ist, sich im Bewährten gut zu bewegen, dann ist wohl ein Freiraum geschaffen, der Lernen optimal ermöglicht.

Übersicht Konstruktivismus

Alle Themen von Konstruktivismus  
1 Evolution ist selbstorganisiert
2 Lernen durch Koevolution
3 Systemtheorie
4 Viabilität des Wissens
5 Kontingenz und Zirkularität
6 Gedächtnis und Erinnerung
7 Wissen
8 Perturbation - Krise - Reframing
9 Toleranz und Verantwortung
10 Lernchreoden und Driftzonen