Kantonaler Beamter

Die Geschichte vom kantonalen Beamten

Es gab eine Zeit, da arbeitet ich als Kursleiter bei der Migros Klubschule im Bereich Informatik. Sehr gerne habe dort die Einsteigerkurse. Ich finde es absolut spannend, hier mit den verschiedenartigsten Menschen das Unternehmen "Einsteigen in die Welt der Computer" zu gestalten.

Es ist für mich logisch, dass ich dabei Wege gehe, die nicht ganz dem "alten" Schema entspricht. Ich rege die TeinehmerInnen immer wieder dazu an, ihre eigenen Wege zu gehen. Manchmal lasse ich sie auch etwas "schwimmen". Das wird ganz verschieden erlebt und aufgefasst.

Da war der hohe kantonale Beamte in einem meiner Kurse, der erwartete, dass ich ihm jetzt genau zeige, wie "es" geht. Er schien zu erwarten, dass ich ihm Schritt für Schritt Anleitung gebe (und natürlich ganz für ihn das sei!!!). Das war nicht das, was mir geeignet erschien. Ich öffnete immer wieder Räume für eigene Aufgaben und eigenes Ausprobieren. Jedes Mal kam der Widerstand dieses Mannes. Wann wir eigentlich wieder "richtig" lernen würden. Ich erklärte ihm, dass Lernen für mich ein Unterwegssein auf eigenen Wegen sei. Wenn er jedoch das Angebot, etwas Eigenes zu tun, nicht annehmen möchte, hätte ich ihm ein Lernprogramm oder ein Buch, mit dem er arbeiten könne. Das wars aber auch nicht. Er wollte mich - und er wollte einen "richtigen" Kurs. Da er das nicht bekam, stieg er nach dem zweiten Abend kommentarlos aus!

Eine andere Teilnehmerin fühlte sich durch das geplante "Programm" überfordert. Als Verkäuferin belegte sie diesen Kurs, weil sie einfach einmal ein wenig "schnuppern" wollte. Was ist denn da so dran, an dieser Computerei? Sie hatte auch keinen eigenen PC zu Hause. Ich schlug ihr vor, dass sie sich eine eigene Aufgabe suchen soll. Zuerst fand sie das nicht so toll. Sie hatte auch keine Idee. Zudem stieg in ihr der Frust an dieser Maschine von Stunde zu Stunde an. Trotzdem blieb ich bei meinem Vorschlag und versuchte ihr mit eigenen Ideen auf die Sprünge zu helfen. Am dritten Abend kam sie dann aufgestellt an den Kurs: Ich habe eine Idee! Darf ich den ganzen Abend daran arbeiten? Selbstverständlich durfte sie! Sie erstellte an diesem Abend einen Text, den sie von irgenwoher hatte, der ihr aber sehr wichtig war. Sie gestaltete, probierte aus, suchte Bilder dazu, machte Rahmen um den Text ... . Von da an war das Eis gebrochen. Sie wurde eine der begeistertsen TeilnehmerInnen dieses Kurses.

Zwischen diesen beiden Extremen verläuft lernen. Der kantonale Beamte hatte andere Vorstellungen von Lernen als ich ihm anzubieten hatte. Für ihn wäre es wohl besser gewesen, er hätte sich einen Privatlehrer gesucht. Er wollte sich auch nicht ausserhalb seiner Erfahrungswelten bewegen. Er war nicht bereit für neue Wege. Es war auch nicht sein Ziel. Ich denke jedoch, dass Lernen für solche Menschen bedeutend schwieriger ist, als für Menschen, die sich einlassen wollen, wie die Verkäuferin. Ich verstehe mich immer wieder als Motivator. Ich möchte den Menschen Türen öffnen für Räume, die sie bis anhin nicht kannten. Ich kann das jedoch nur bis zu dem Grade, wie die Gegenüber dazu bereit und offen sind. Als Konsequenz müssten KursleiterInnenhaltungen von Beginn weg transparent gemacht werden. Oder noch besser: In der Kursausschreibung muss erwähnt werden, mit welcher Haltung Lernen gestaltet werden wird.