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Gedächtnis und Erinnerung

Erinnerung ist konstruiert

Bei Gedächtnis denken wohl viele Leute an eine Art Speicher von Informationen. Genau das war bisher auch Gegenstand vieler Untersuchungen.

Konstruktivistisch gesehen ergibt sich eine veränderte Sichtweise: Gedächtnistätigkeit ist eine Konstruktionsarbeit, keine "Aufbewahrungsarbeit" mehr.

Wenn wir uns erinnern, konstruieren wir jedes Mal eine "neue" Erinnerung. In Erinnerung wird behalten, was wichtig war, was Freude oder Schmerz auslöste – also in erster Linie für uns bedeutungsvolle Ereignisse. Erinnerung wird aktiv von uns konstruiert. Unsere Biografie, unsere Identität wird in der Erinnerung immer wieder neu gebaut.

Erinnerung ist kein getreues Abbild der vergangenen Wirklichkeit. Wenn wir uns erinnern, bilden wir unsere Vergangenheit immer wieder neu. Wenn es um gemeinsame Erinnerungen geht, kann Koevolution entstehen. Dabei sind es vor allem die Unterschiede in der Konstruktion, die Erinnernde weiterbringen. Selbstverständlich ist auch das gemeinsame Erinnern von Interesse.

Erinnerungen sind demzufolge auch Interpretationen und Umdeutungen. Dabei gibt es einerseits vergessene Dinge, andererseits werden Erinnerungen oft auch angereichert mit nicht "wirklich" erlebten Gefühlen, Beobachtungen oder Ereignissen.


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Systeme im Gehirn

Persönliche Mythen

Zu Erinnern gehört immer auch Vergessen. Dabei ist das Vergessen eine Überlebensstrategie. Wir müssen vergessen können, wir könnten mit der Fülle der Informationen nicht umgehen.

Die Psychologie spricht bei erinnerten Geschichten von persönlichen Mythen. Durch die Erinnerung legt man sich seine Vergangenheit "zurecht". Für Heinz von Foerster ist es klar, dass seine Ideen im Zusammenhang mit seiner Geschichte stehen. Er erinnert sich immer wieder. Ich denke, dass er dabei für seine Ideen konstruiert.

Das Erzählen von Erinnertem ist wichtig. Dadurch kann geordnet, weggelassen, zugefügt werden. Dabei wird klar, wo man jetzt steht.

Erzähler brauchen jedoch Zuhörerinnen. Menschen, die sich mit dem Erzählten auseinandersetzen und dabei der Erzählerin weiterhelfen bei der Konstruktion des persönlichen Mythos.

Übersicht Konstruktivismus

Alle Themen von Konstruktivismus  
1 Evolution ist selbstorganisiert
2 Lernen durch Koevolution
3 Systemtheorie
4 Viabilität des Wissens
5 Kontingenz und Zirkularität
6 Gedächtnis und Erinnerung
7 Wissen
8 Perturbation - Krise - Reframing
9 Toleranz und Verantwortung
10 Lernchreoden und Driftzonen