Subjektive Deutungen

Wahrnehmungen und Deutungen sind subjektiv

Andreas ist ein schwieriges Kind. Seine Schrift ist unleserlich. Dauernd fällt er auf. Selbständiges Arbeiten ist für ihn ein Gräuel. Kaum arbeitet er in einer Gruppe gibt es Streit. Immer wieder stört er den Unterricht.

Ich habe schon viel probiert: Tages- und Wochenziele vereinbart, Belohnungen für gutes Arbeiten gegeben, Strafmassnahmen ergriffen, usw. Leider immer wieder nur mit kurzfristigem Erfolg.

Wenn ich das Elternhaus betrachte wird mir einiges klar. Auch da herrscht ein Chaos. Mit der Mutter kann ich kaum sprechen, weil sie nicht auf das eingeht, was ich sagen will. Letzthin war ich bei der Familie zuhause. Welch eine Unordnung herrscht hier. Logisch, dass sich Andreas in der Schule auch nicht an Regeln und an Ordnung halten kann.


Ich bin froh, wenn dieses Kind an die Oberstufe wechselt. Ich fühl mich überfordert.
Eine der Grundannahmen, auf welcher die beschriebene Methode basiert, geht davon aus, dass jeder Mensch seine Wirklichkeit selber konstruiert. Es gibt also nicht eine einzige Wirklichkeit, die für viele Menschen gilt, sondern jeder Mensch ist für das verantwortlich, was er wahrnimmt und was er damit macht.

Milieu und Geschichte bestimmen unsere Wahrnehmung
Untersuchungen zeigen, dass die Deutung von Wirklichkeit eng mit dem sozialen Milieu, in welchem man aufwuchs, verbunden ist. Das Milieu bestimmt die Erfahrungswelten der Menschen. Auf Grund der gemachten Erfahrung weist man Geschehnissen, Verhalten und Fakten unterschiedliche Bedeutungen zu.

Wahrnehmung ist ein aktiver Prozess
Unsere Beobachtungen im Alltag, bezogen auf vielerlei Themen, sind daher immer subjektiv. Sie beziehen die Erfahrungswelten des Einzelnen mit ein. Kaum wahrgenommen, schon gedeutet. Gedeutet wird mit den gespeicherten (natürlich ebenfalls konstruierten) Erinnerungen der Vergangenheit, aber auch mit den Erfahrungen der Gegenwart.

Wir haben viele Deutungsideen
Meist haben wir für ein beobachtetes Verhalten eine ganze Reihen von Deutungsideen. Wir wissen, dass sich bestimmte Verhalten auf ganz verschiedene Weise deuten lassen.

Ein Kind, welches zu spät in die Schule kommt, veranlasst und zu ganz unterschiedlichen Deutungen: Es hat getrödelt. Es hat verschlafen. Es wurde aufgehalten. Es kann die Zeit noch nicht lesen. Es war die Nacht über bei der Nachbarin, welche nicht wusste, wann die Schule beginnt.

Manchmal treffen mehrere diese Deutungen die Wirklichkeit des Kindes, manchmal keine. Manchmal widersprechen sich diese Deutungsideen auch. Wir haben trotzdem die Tendenz, eine Deutung auszuwählen (im einleitenden Beispiel finden sich viele Deutungen).

Abstrakt oder verallgemeinernd
Die ausgewählte Deutung ist oft jene, welche für uns am besten „greifbar" ist. Verallgemeinerungen haben dabei grosse Chancen als „richtige" Deutung ausgewählt zu werden. Laut Untersuchungen überleben jedoch oft auch die abstraktesten Deutungsversuche (Das leuchtet nicht unbedingt ein, hat sich aber in vielen Fallbeispielen so gezeigt).

Interpretationen verhindern Entwicklung
Oftmals werden problematische Deutungen (oft eben gerade abstrakte) immer wieder eingesetzt. Das sind dann die Fälle, wo kein Erfolg sichtbar wird, obwohl „man schon alles versucht hat". Das „alles" bestätigt oft das Deutungsmuster der Erziehenden (siehe auch wieder das einleitende Beispiel).

Akten einer Schülerin können massiv verhindernd sein, wenn sie viele verallgemeinernde Informationen enthalten. Oftmals werden die Deutungen auch vom Kollegium oder andern umgebenden Menschen gestützt. Man fühlt sich „im Recht".

Diese Konstellation ist jedoch in vielen Fällen nicht geeignet, gute Lösungen bei wiederkehrenden Problemen zu finden.

Ursache-Wirkungsdenken
In der westlichen Welt geht man in vielen Fällen davon aus, dass jede Wirkung eine Ursache haben muss. Der faule Schüler (Wirkung) ist so, weil er aus verwahrlosten Verhältnissen (Ursache) stammt. Dieses Denken ist so stark verankert, dass es kaum hinterfragt wird.

In vielen Fällen hilft diese Denkweise Problem erfolgreich zu lösen. Wenn jedoch Probleme so nicht gelöst werden können, wäre eine neue Denkweise erforderlich. Der öko-systemische Ansatz bietet eine Alternative.

Zusammenfassung
Jeder Mensch gibt dem, was er erfährt, eine persönliche Bedeutung. Er konstruiert sich diese immer wieder neu. Er ist verantwortlich dafür, was er sich konstruiert und deshalb auch dafür, was er mit diesen Konstrukten macht.

Die Sichtweise und das Verhalten von Menschen in problematischen Situationen sind schwierig zu verändern, weil
--> die vorausgegangenen Lernerfahrungen,
--> die Erfahrungen im sozialen Umfeld und
--> das Ursache-Wirkungs - Denken
neue Lösungsansätze blockieren.

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