Zweite Schulwoche

Den Glauben an die eigenen Fähigkeiten finden

Weitermachen, wo ich angefangen hatte. Vertiefung der Fächer Mahtematik und Sprache. Zudem immer wieder Stärken suchen. Das waren meine Grundideen für die zweite Schulwoche.

Wir glauben nicht an Veränderung!
Am Donnerstag kam ich zu spät zur Schule. In diesen zehn Minuten schaffte es S., dass einiges an Unruhe entstand, die während des ganzen Tages anhielt. S. war immer wieder serh unkonzentriert, ärgerte die andern, wollte einfach die Grenzen der andern Kinder um mir immer wieder übertreten und tat dies auch.

In der letzten Stunde nahm ich einen aktuellen Vorfall zum Anlass für ein Gespräch. Ich versuchte einerseits klar zu machen, dass für Streitigkeiten immer zwei Wirklichkeiten vorlägen. Und dass es darum ginge, diese Wirklichkeiten auch zu akzeptieren. Das machte den Kindern Mühe. Das hatten sie so noch nie gehört.

Im weiteren Gesprächsverlauf tauchten dann alte Geschichten auf. Mi. meinte, bei S. laufe es ja eh immer gleich ab. Der habe ja schon so oft verprochen, sich zu ändern. Getan habe er es aber nie. Und begann gleich weitere Geschichten zur Bestätigung zu erzählen.

Ich wollte Mi. klar machen, dass er nicht S., sondern nur sich selber ändern könne. Er solle sich doch mal mit uns zusammen überlegen, was er nächstes Mal anders machen könne. Widerwillig machten die Kinder bei der Suche mit. Es dauerte nicht lange, da waren wir wieder bei den alten Geschichten. Auf meine Frage "Glaubt ihr denn, dass sich diese Situation verändern könnte?", war die einhellige Antwort: "Das wird nie gehen!"

Negative und destruktive Konstrukte und Wirklichkeitsannahmen der Kinder sitzen tief
Ich erschrak ziemlich, als ich diese pessimistische Einschätzung wahr nahm. Meine erste Reaktion: Da ist nicht viel zu machen! Diese Kinder haben eine so schlechtes Selbstbild und nehmen die Gruppe als so wenig veränderbar wahr, dass sie sich immer wieder so verhalten, dass sie diese ihre eigenen Annahmen bestätigen.

Aber genau das möchte ich durchbrechen. Diese negativen Selbstkonzepte müssen umgedeutet werden können. Diese Kinder müssten erleben können, dass wirklich etwas geschehen kann. Und mir war auch klar, dass dies ein anderes, für die Kinder unbekanntes Vorgehen brauchen würde. Aber was?

Lösungsansätze
Ich machte am Freitag ein lösungsorientiertes Einzelgespräch mit S. Zuvor war für mich eine Umdeutung angesagt. Ich musste S. einfach in einem andern Licht zu sehen bekommen. Das Einzelgespräch wurde von andern Kindern begleitet, die S. helfen wollten. Zuerst suchten wir einen Namen für S' Situation. Nach längerem Suchen entschied sich S. für "die nervosität". Nun die Frage, ob er denn etwas ändern wolle. Er bejahte. Auf der Skalierung zwischen 0 (sehr "nervös") und 10 (überhaupt nicht "nervös") hatte S. das Gefühl, er sei bei 5. Schliesslich suchten wir nach der Macht der "Nervosität", entdeckten, dass diese S. nicht gut tut. Also schnell zum nächsten Schritt: Wo gelang es schon mal, dass die "Nervosität" nicht stärker war als er selber? Er wusste einige. Am ende des Gesprächs erklärte ich S., dass ich von nun an auf die Macht der "Nervosität" hinweisen werde und wir sicher später wieder darüber sprechen werden.

Daneben ging es erneut um stärkende Deutungen der Namen aller SchülerInnen, die immer noch an der Wand hängen. Wir suchten positive Adjektive, die wir dann einzelnen Buchstaben der Kinder zuordneten und aufschrieben.

Nach dem Einstieg mit Wahrnehmungsübungen am Morgen sprachen wir darüber, was uns denn stärkt und was uns schwächt. An der Wandtafel führte ich nur die stärkenden Verhalten auf:
- einander loben
- dran glauben, dass eine Arbeit zu schaffen ist
- sich gern haben
- einander helfen
- usw.
Wir machten ab, dass wir von nun an versuchen, uns gegenseitig zu helfen, stärkende Gedanken zu haben.

Am Nachmittag meinte D., jetzt hätte sie eine halbe Stunde Adjektive gesucht und nur eines gefunden. Das sei sehr schlecht. Meine Antwort: Du könntest dich dafür loben, dass du so lange Ausdauer hattest. Ein grosses Lächeln huschte über ihr Gesicht. - Ja, so kann man das auch sehen.

Die Gelingrunden am Ende jedes Morgens und die Abschlussgelingrunde am Ende der Woche wurden wie letztes Mal durchgeführt. Interessant war die Aussage der Kinder, dass es S. bereits mehrere Male gelungen sei, ihre Grenzen zu respektieren.

Die Einstiege am Morgen: sich wahrnehmen
Eine weitere Feststellung machte ich in Bezug auf die Eigenwahrnehmung der Kinder: Einige spüren sich sehr schlecht. Sich gedanklich zum Beispiel in den Körper einfühlen, Wärme oder Kälte spüren usw. sind für einige Kinder schlicht eine Überforderung.

Aus diesem Grunde beginne ich den Tag nun mit einer Wahrnehmungsübung. Viele Anregungen entnehme ich dem Buch "Mediation mit Kindern" des Verlags an der Ruhr.